Heute führten uns die bereiften Füße in unser Hospiz in Radebeul. Zugegebenermaßen war der Gedanke an diesen Besuch unangenehm. Wie wahrscheinlich die meisten, die nicht unmittelbar betroffen sind, versuchen auch wir das Thema Sterben so wenig wie möglich an uns heranzulassen.
Aber da der Tod nicht nur Teil des Lebens, sondern in diesem Fall auch Teil unseres Arbeitslebens ist, ging es heute in aller Früh, also kurz nach neun, in Richtung Radebeul. Als wir den dichten Verkehr endlich hinter uns gelassen haben, biegen wir auf eine schöne Waldstraße ab, rollen langsam an Rand der Heide entlang und erreichen nach wenigen hundert Metern unser Ziel. Den Augustusweg 101 f.
Uns erwartet ein mediterran gestrichenes Haus, umgeben von einer rustikalen Steinmauer, hohen alten Bäumen und jeder Menge buschigem Grün.
Wir werden bereits erwartet. Zunächst gibt es eine FFP2-Maske, weil wir natürlich unvorbereitet sind (wie erwähnt war es ja noch mitten in der Nacht als wir aufgebrochen sind) und gleich danach einen erweckenden Kaffee. Der Leiter des Hospizes führt uns durch das Gebäude.
Viele Worte hat er übrig für Geschichte, Angestellte, Bewohner, Gegebenheiten und Bräuche des Hauses. Wir ärgern uns alsbald, dass wir kein Aufnahmegerät dabeihaben, denn die Informationen sind so umfassend, die Eindrücke so vielfältig, dass wir unmöglich alles verarbeiten können. Aber mit jeder Minute und trotz der Gedankenflut wird uns klarer, dass dieses Haus nicht düster ist. Nicht so wie unsere Gedanken noch am Morgen. Das Sterben ist tatsächlich allgegenwärtig, das Leben aber auch.
Alles hier ist darauf ausgerichtet, die letzten Tage der Bewohner so lebenswert und individuell wie möglich zu gestalten.
Es gibt Feste, es gibt Konzerte, es gibt Theater. Es gibt Haustiere, Spiele, Entspannungsecken. Es gibt Licht, grün, Ausblick. Es gibt Schlafräume für Angehörige. Essen und Essenszeiten nach den Wünschen der Bewohner*innen.
Natürlich gibt es auch Trauer aber auch die Zeit und den Raum dafür. Es gibt sichtbare Zeichen … auf das Ableben, den Tod hinter einer verschlossenen Tür. Wir sehen Menschen, die nicht mehr viel Zeit auf dieser Welt haben.
Diese Gegensätzlichkeit ist aufwühlend. Sie gibt uns aber auch die Möglichkeit einen Schritt zurückzutreten. Unsere Gedanken an das Sterben nicht mehr die einzigen in unserem Kopf sein zu lassen, wenn wir an ein Hospiz denken.
Wir sehen, was die Mitarbeiter*innen alles tun, für menschliche letzte Tage, für würdevolles Sterben, für die Angehörigen in ihrer Trauer. Wir können vorsichtig erahnen was sie tun, tagtäglich, unermüdlich. Für das Leben.
Unvorstellbar. Bewundernswert.